fbpx

Finn ist unser Sonnenschein, ein fröhlicher und aufgeweckter Bub. Der Verdacht, dass er eine Stoffwechselerkrankung haben könnte, – er war damals 4½ Jahre alt – kam für uns aus heiterem Himmel, kurz vor Weihnachten 2018.
Im Zuge einer Routineuntersuchung beim Kinderarzt war ein leichtes Herzgeräusch festgestellt worden. Der Kardiologe, den wir daraufhin aufsuchten, hat uns aufgrund des Herzgeräuschs, wiederkehrender HNO-Probleme und einer leichten Einschränkung in den Schultergelenken, zur weiteren Abklärung an die neuropädiatrische Stoffwechselambulanz am LKH Graz überwiesen. Leider wurde der Anfangsverdacht dann im Jänner 2019 bestätigt: MPS II – hoffentlich milder Verlauf. Für uns im ersten Moment ein Schock. Durch die rasche Diagnose blieben uns aber lange ärztliche Abklärungen und Ungewissheit erspart und Finn konnte bereits zwei Montage später, im März 2019 an der Uni-Kinderklinik Graz die für ihn wichtige Enzymersatztherapie erhalten.

So haben wir dann unseren Alltag umorganisiert. Einmal die Woche ins Krankenhaus, tagesambulant mit einer Dauer von ca. fünf Stunden, mit zwei voll berufstätigen Eltern und einem mittlerweile schulpflichtigen Kind, erfordert sorgfältige Planung des Alltags, um Beruf, Schule und Krankenhaus aufeinander abzustimmen. Unterstützt wurden wir tatkräftig von den beiden Omas Margret und Maria, mit welchen wir uns bei den Begleitungen ins Krankenhaus abwechselten. Zum Glück haben wir beide auch verständnisvolle Arbeitgeber (Danke!), die Home-Office vom Krankenhaus aus erlaubt haben, was 2019 (vor Corona) noch alles andere als selbstverständlich war! Auch Finns Schule war von Anfang an sehr verständnisvoll und hilfsbereit. Uns wurde aber auch bewusst, dass es für Finn zunehmend schwieriger werden wird, die Fehlzeiten, die sich durch die wöchentlichen Krankenhausaufenthalte in der Schule ansammeln, zu kompensieren.

Mit Heimtherapie wäre dies viel leichter. Ein erster Antrag auf Heimtherapie wurde auch gleich 2019 über unsere behandelnde Oberärztin gestellt. Wir sollten uns aber nicht zu viel Hoffnung machen, weil, obwohl es die Heimtherapie in anderen Bundesländern gibt, sie in der Steiermark bisher nicht bewilligt wurde. So war es dann auch – zwischen 2019 und 2022 bekamen wir immer wieder Absagen durch die Krankenkassen ÖGK und BVA – mit dem Hinweis, dass es sich um ein Krankenhausprodukt handle, das aus Sicherheitsgründen im Krankenhaus verabreicht werden muss. Und das, obwohl es bei Finn keine medizinischen Bedenken seitens der behandelnden Ärztin am LKH gab und das auch schriftlich bestätigt und der Versicherung mitgeteilt war.

Seit 2019 liegt unser Fall auch bei der Volksanwaltschaft. Die Ungleichbehandlung von Patient:innen in den verschiedenen Bundesländern ist augenscheinlich und nicht zu verstehen. Aber auch sämtliche, von der Volksanwaltschaft eingereichten Anträge auf Heimtherapie, wurden abgelehnt. Eine Einladung zur ORF Sendung „Bürgeranwalt“ haben wir damals nicht angenommen – wir dachten, es muss doch auch auf anderem Weg möglich sein, Finn eine Heimtherapie zu ermöglichen.

So verging die Zeit. Während der Pandemie jede Woche ins Krankenhaus zu gehen, war auch spannend. Im Herbst 2020 sollte für Finn die Schule beginnen. Deswegen haben wir im LKH Graz gefragt, ob die Therapie auch am Nachmittag stattfinden kann, damit er nicht jede Woche einen Tag in der Schule fehlen muss. Wir befürchteten, dass dies neben dem schulischen auch zunehmend ein soziales und emotionales Problem für Finn werden könnte. Leider haben wir von der Stationsleitung im LKH Mitte 2020 die Information erhalten, dass die Therapie nur am Vormittag erfolgen könne, da andernfalls eine ausreichende Besetzung mit Ärzt:innen nicht gewährleistet werden kann. Weil es 2020 und 2021 wegen Corona auf der Kinderklinik etwas ruhiger zuging, wurde uns erlaubt, später am Vormittag zu kommen. So konnte Finn am Therapietag zumindest noch zwei Stunden in die Schule.

Bewegungsfreiheit trotz InfusionAuf Anraten der behandelnden Ärztin am LKH haben wir dann auch 2020 Kontakt zur Plattform „Politische Kindermedizin“ (http://www.polkm.org/) aufgenommen. Deren Arbeitsgruppe mit Schwerpunkt auf seltenen Erkrankungen setzt sich schon viele Jahre für ein österreichweit einheitliches System der Heimtherapie ein. Finn kam auch zweimal in deren Newsletter vor (Dez. 2020 und Juni 2021). Wir möchten uns herzlich bei Prof. Waldhauser für seine Beratung bedanken. Er hat uns berichtet, dass auf obersten politischen Ebenen an einer österreichweit einheitlichen Lösung gearbeitet wird, jedoch die Pandemie zu der Zeit alle Ressourcen verschlingt, und alles andere in den Schatten stellt. Uns wurde geraten uns noch etwas zu gedulden (Ende Pandemie), und wenn es dann noch immer unverändert ist, eine Klage am Sozialgericht einzubringen. Wir sind froh, dass es nicht soweit kommen musste, wären aber dazu bereit gewesen.

Auftrieb haben uns Ende 2021 auch die positiven Entwicklungen gegeben (Wiener Modellprojekt zur EET mit ÖGK), die Bürgeranwaltssendung, in der Fritz K. aus Wien. eine Heimtherapie zugesagt wurde. Wir haben gespürt, da ist wieder was in Bewegung – Michaela Weigl hat uns auch eine Nachricht geschickt mit dem Appell: „JETZT nachhaken“. Das haben wir gemacht. Wir haben uns wieder mit der Volksanwaltschaft in Verbindung gesetzt. Die dort für uns zuständige Juristin hat erneut, sowohl bei der ÖGK als auch der BVAEB um Heimtherapie angesucht. Der Antrag wurde von der einen abgelehnt – wieder mit dem üblichen Verweis auf medizinische Gründe (Krankenhausprodukt). Die andere hatte gar nicht geantwortet.
Daraufhin ist dann von der Volksanwaltschaft der Vorschlag gekommen, das Thema abermals in der ORF Sendung Bürgeranwalt aufzugreifen. Anders als noch vor drei Jahren haben wir diesmal zugestimmt. Wir waren dazu bereit, und haben erkannt, dass es wohl das Fernsehen braucht, damit hier etwas weiter geht. Finn war schon am Ende der zweiten Volksschulklasse. Die Heimtherapie würde Finn und uns so vieles erleichtern.

Dann ging alles sehr schnell: Dreh des Beitrags bei uns zuhause und im ORF-Studio in Wien und Ausstrahlung der Sendung im Juni 2022. Es war für uns sehr aufregend. Das Beste: Noch vor der Aufzeichnung haben wir von der ORF Redaktion schon die gute Nachricht bekommen, dass sich die Sozialversicherung mit dem Land Steiermark einigen konnte, und dass für Finn die ersehnte Heimtherapie bewilligt wird! Dies wurde dann auch rasch umgesetzt und seit Ende August 2022 erhält Finn die Enzymersatztherapie zu Hause. Geschafft!Infusion im Krankenhaus

Aber es war wieder eine Einzelfallentscheidung – an der versprochenen österreichweiten einheitlichen Lösung wird immer noch gearbeitet. Wir hoffen für alle Patient:innen und deren Familien, die sich so wie wir eine Heimtherapie wünschen, auf eine rasche Lösung!

Hausübungen während der Infusion erledigenAn dieser Stelle möchten wir uns bei den vielen Menschen bedanken, die während der vergangenen Jahre an unserer Seite waren.
Allen voran möchten wir uns bei unseren Eltern, insbesondere Finns Omas Maria und Magret bedanken, ohne deren Unterstützung wir die wöchentlichen Termine im Krankenhaus nicht organisiert bekommen hätten. Obwohl wir sehr froh sind, nicht mehr wöchentlich ins Krankenhaus zu müssen, haben wir uns dort immer sehr gut aufgehoben gefühlt. Wir bedanken uns beim gesamten Personal des 2. und 5. Stocks der Kinderklinik Graz für die tolle und liebe Betreuung und beim Team vom Spieletreff für die vielen gemeinsamen Spiele und Bastelarbeiten. Nach fast dreieinhalb Jahren und etwa 170 Therapiegaben, sind uns viele Krankenpfleger:innen mit ihrem Humor ans Herz gewachsen.
Wir bedanken uns bei der Volksanwaltschaft unter Vertretung durch Volksanwalt Achitz, und dem ORF Team vom Bürgeranwalt, die unserem Anliegen Gehör verschafft haben.
Danke an das Team von HealthCare Austria mit unserer lieben DKGS Petra – es läuft bisher wunderbar – so wie wir uns das erhofft hatten. Alles ist so viel leichter für uns.

Last but not least: Ein Danke an den Verein MPS Austria: 2022 waren wir schon auf drei Treffen, bei denen wir uns sehr wohl gefühlt haben. Es tut gut, sich mit anderen auszutauschen, welche ähnliche Sorgen und Probleme haben. Ein besonderes Dankeschön gilt an dieser Stelle Michaela, für die vielen Telefonate und Nachrichten, in denen Du dir Zeit genommen hast und uns erzählt hast, wie es anderen MPS- Patient:innen in Österreich ergeht, in welchen Bundesländern bzw. bei welchen Krankenkassen es schon klappt mit der Bewilligung der Heimtherapie und für deine Tipps.

Peter

Enzymersatztherapie im KrankenhausEnzymersatztherapie daheimMPS-Medikament samt Pumpe im Rucksack