Die Untersuchung
Als Sophie anlässlich der Studie für Vimizim in Mainz erstmals eine Schlafuntersuchung außerhalb des Krankenhauses hatte, zeigte die Messung, wie gut bzw. schlecht es um ihre nächtliche Sauerstoffsättigung stand. Sie hatte zuvor zwar regelmäßig solche Untersuchungen, welche aber nie derart schlechte Resultate ergaben. Die Messungen wurden in Zürich wiederholt und gleichzeitig auf der IMC (Überwachungsstation) eine nächtliche Beatmung angepasst. Die Resultate waren nicht ganz so schlimm wie in Mainz, aber doch so, dass die Beatmung gerechtfertigt war.
Wer schon einmal auf der IMC mit Säuglingen übernachtet hat, kann sich vorstellen, weshalb das so war. Alle drei Minuten piepst es irgendwo, ein Baby schreit, eine Nachtschwester unterhält sich mit jemanden oder kontrolliert die Verkabelung. Die Entsättigungen hatten kaum eine Chance aufzutreten. Natürlich können die Experten trotzdem wichtige Daten erheben und diese auswerten.
Das Gerät
Sophie erhielt ein BIPAP-Gerät mit Befeuchtung. Im Gegensatz zu einem CPAP, wo die Luft bei gleichbleibendem Druck zugeführt wird, atmet der Patient bei höherem Druck ein und bei niedrigerem Druck aus. Die Maschine unterstützt die natürliche Atmung.
Die Maske
Schwieriger war die Auswahl der Maske. Eine Total-Face kam für mich nicht in Frage. Diese deckt Mund, Nase und Augen ab. Als Tetraplegikerin könnte Sophie sich niemals von ihr befreien, wenn das Gerät aussteigen würde. Ich könnte nicht ruhig schlafen, ohne neben ihr zu liegen. Selbst wenn der Alarm zuverlässig ertönen würde, könnte Sophie ihn kaum hören und rechtzeitig Hilfe holen. Als Bauchschläferin hätte Sophie allerdings Vorteile durch sie, denn sie verrutscht kaum und Sophie könnte ihr Gesicht gut auf der Unterlage ablegen. Diese Bewegungsfreiheit ist wichtig, denn sonst bewegt Sophie sich ja nicht.
Eine Full-Face-Maske bedeckt Mund und Nase. Auch von ihr könnte Sophie sich nicht befreien und Sophie könnte ihr Gesicht nur schwer ablegen.
Es blieb nur eine Nasenmaske auszuwählen. Davon gibt es viele. Allerdings gibt es nur eine einzige für Kinder. Diese saß sehr gut um die Nase, dichtete gut ab und führte den Schlauch nach beiden Seiten ab. Sophie konnte ihren Kopf drehen ohne dass sie verrutschte. Leider verursachte sie Druckstellen auf der Wange, sodass sie nach vier Stunden entfernt werden musste.
Masken, die die Nase umschließen sind für Morquio-Nasen denkbar ungünstig. Sie passen nicht rund um den Nasenrücken. Eine Maßgeschneiderte würde zwar passen, hätte aber überall Schrauben oder ähnliches, was das Schlafen in Bauchlage verunmöglichen würde. Es blieb nur noch die Nasenstöpselmaske. Sie dichtet nur mäßig ab, verrutscht gern, ist jedoch am bequemsten.
Zu Hause
Nach einer Woche im Kinderspital passte und funktionierte mehr oder weniger alles, und wir konnten zu Hause weiter trainieren. Nach einigen Wochen war die Nase wund, und das Anlegen der Maske schmerzte. Die pickelähnlichen Wunden traten immer schneller auf. Die Pausen zwischen den beatmeten Nächten wurden immer länger, bis sie ganz ausfielen. Nach einiger Zeit war die Nachkontrolle auf der IMC. Da die Nase nicht wund war, verlief die Nacht gut. Sie dauerte nur ein paar Stunden, weil sich die Verkabelung schwierig gestaltete. Guten Mutes gingen wir nach Hause und versuchten es erneut. Leider war die Nase nach wenigen Nächten wieder wund und alles fing von vorne an.
Die Nachtlagerung
Wir versuchten, Sophie in Rückenlage schlafen zu lassen. Nach zwei Stunden schliefen ihr die Hände und der Nacken ein. Es folgten Nächte mit diversen Lagerungsversuchen. Wir schliefen kaum. Die Nächte wurden zur reinsten Physioübung. Tags darauf hatte Sophie Schmerzen und war sehr müde. Manchmal hatte sie taube Hände bis in den späten Nachmittag oder wunde Stellen am Rücken und Gesäß.
Als wir zur Rollstuhlanpassung im Schweizer Paraplegikerzentrum (SPZ) waren, kam uns die Idee, eine Nachtliegeschale für Bauchschläfer anzupassen, wo der Schlauch der Maske so weggeführt wurde, dass Sophie keine Druckstellen entwickelte und den Kopf trotzdem bewegen konnte. Diese Lösung war super. Die Nase wurde kaum noch wund, denn der Druck auf die Nase und die Wange war gering. In der Anpassungsphase ließ ich Sophie neben mir schlafen. Eines Abends steckte ich das Netzteil in einer geschalteten Steckdose ein, und das Gerät lief im Akkubetrieb. Nach wenigen Stunden ging ein Alarm los, weil der Akku zu neige ging. Sophie hörte den Signalton nicht und schlief weiter. Meine Befürchtungen bezüglich Erstickungstod beim Tragen einer Total-Face-Maske waren bestätigt.
Mit der Nasenmaske kann sie immerhin noch durch den Mund atmen. Einige Monate schlief Sophie gut mit dieser Nachtliegeschale. Wegen des Erfolgs der EET setze die Pubertät und damit verbundenes Wachstum ein. Das Liegen verursachte Schmerzen und bis zum Nachmittag anhaltende Sensibilitätsstörungen. Die Maske und das Beatmungsgerät funktionierten einwandfrei. Ich kenne jedoch niemanden, der sich freiwillig so bettet, dass er am nächsten Tag mit Schmerzen aufwacht und Ameisenlaufen in den Armen hat. Die Kontrollnächte im Schlaflabor verliefen meist gut, da sie kurz und voller Unterbrechungen und damit verbundenen Umlagerungen waren. Wir stießen auf ein gewisses Unverständnis der Ärzte. Aus ihrer Sicht hätte Sophie problemlos immer mit Maske schlafen können.
Das schlechte Gewissen
Ich fühlte mich als Versager, denn ich konnte keine Lösung finden. Diverse Umbauten an der Nachtliegeschale brachten nichts. Mein Gewissen plagte mich, denn ich müsste doch meinem Kind helfen können. Da ich selber viel Schlaf brauche, belasteten mich die Nächte, in denen ich wegen der Beatmung geweckt wurde, sehr. Die Kontrollnächte auf der IMC wurden zum Schreckensgespenst. So nett die Leute dort waren, so nett haben sie mich auf mein Versagen und die dringende Notwendigkeit einer Beatmung hingewiesen. Erklärungen über Erklärungen und gut gemeinte Ratschläge machten die Sache noch schlimmer. Wenn man nicht weiter weiß, ist das Gegenteil von gut „gut gemeint“ und ein Ratschlag nur ein „Schlag“.
Rehawochen
Anstatt der geliebten Therapiewoche bei den noch mehr geliebten Österreichern schickten wir Sophie ins Jugendreha-Lager des SPZ. Ein Ziel war, die nächtliche Beatmung und die damit verbundene Lagerung zu bewerkstelligen. Die Fachleute waren genauso ratlos und schafften es in drei Wochen nicht, eine Lösung zu finden. Das tröstete mich, denn eine Nachtschwester, die für die Umbettung zuständig ist, kann ja am Tag schlafen. Ich musste im Alltag Tag und Nacht durchhalten.
Im Jahr darauf versuchten wir es noch einmal. Nach drei Wochen standen wir da mit demselben Resultat. Es gab zwar Lösungsansätze, mehr als drei Stunden Schlaf mit Beatmung lagen aber nicht drin. Die Bauchlagerung stellte nach wie vor ein Problem dar. Die Liegeschale wurde nicht weiterverfolgt, man benützte Lagerhilfen, die man individuell zusammengestellt hatte. Sophie erhielt eine neuartige Nasenmaske, die äußerst bequem ist. Der Schlauch wird um den Kopf herumgeführt und nach oben/hinten weggeführt. Die Nase wird von dem elastischen Silikon umschlossen. Durch den Luftstrom bläst sie sich auf und umschließt die Nase unabhängig der Form und Größe. Die ganze Familie hat sie ausprobiert, sie passt immer und ist dicht.
Zu Hause probierte wir diese Lagerhilfemethode aus. Leider verrutschen die Dinger, der Nachtschlaf wurde mehrmals unterbrochen.
Bei einer erneuten Rollstuhlanpassung erwähnte ich die Nachtliegeschale. Den Orthopädietechniker packte der Ehrgeiz, er wollte es nochmals versuchen. Nach kurzer Zeit der Anpassung brachen wir die Übung ab und begannen von vorne. Diesmal wird es wegen der neuen Maske nur ein Kissen mit Aussparung zur Druckentlastung auf die Nase.
Happy End?
Folgt.
Christine W.